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Verlorenes Urvertrauen – wenn Kinder Heilung brauchen
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Vertrauen
Verlorenes Urvertrauen – wenn Kinder Heilung brauchen

Sarah Quinger
Erzieherin, BA Frühpädagogik, MA Counseling

Das Urvertrauen ist lebensnotwendig für ein glückliches Leben. Nicht jeder Mensch hat jedoch das Glück, in der Kindheit eine sichere Bindung erfahren zu haben, die ein solches Urvertrauen ermöglicht. Wie kann zurückgewonnen werden, was verloren gegangen ist?

Der Filmklassiker «Bambi» spaltete seinerzeit das Publikum. Die einen feierten den Zeichentrickfilm als Meisterwerk, die anderen empfanden den Tod der eigenen Mutter als zu dramatisch für Kinder. Ich selbst kann mich noch daran erinnern, den Film als Kind gesehen zu haben. Bambi muss sich nach dem Tod der Mutter allein durchs Leben schlagen. Überall lauern Gefahren, denen er entkommen muss, bevor er dann endlich erwachsen ist. Ich war so erleichtert, als der Film vorbei war. Der Film spielt mit den schlimmsten Ängsten eines Kindes: dem Verlust der Mutter. Der Verlust eines Elternteils durch Tod ist heftig und kommt eher selten vor. Es gibt dennoch Kinder, die sich verlassen und allein fühlen, obwohl ihre Eltern noch leben. Beispielsweise, wenn die Eltern keine Zeit für die eigenen Kinder haben, mit ihren Kindern überfordert sind oder selbst als Kind keine Liebe erfahren haben und daher auch keine Liebe an ihre eigenen Kinder weitergeben können. Doch für Kinder sind Bindung und Beziehung, am besten zu ihren Eltern, essenziell für die Entwicklung ihres Urvertrauens.

Wie Bindung funktioniert
Ende der 1960er Jahre entwickelte der britische Psychoanalytiker John Bowlby (1907–1990) die «Bindungstheorie». Seit den 1990er Jahren nimmt die Beliebtheit der Bindungstheorie stetig zu. Die aktuelle Forschung zeigt, dass eine sichere Bindung ein Grundbedürfnis eines jeden Kindes ist. Sicher gebundene Kinder entwickeln eine höhere soziale Kompetenz, sind damit besser in der Lage, Beziehungen zu knüpfen, verhalten sich sozialer in Konflikten und sind lösungsorientierter. Sie entwickeln sich auch in allen anderen Bereichen wesentlich besser als unsicher gebundene Kinder. Sicher gebundene Kinder sind widerstandsfähiger
gegen Belastungen. Eine sichere Bindung ist der Grundstein des Urvertrauens, das dem Menschen ermöglicht, sein Leben zu bewältigen.

Wenn die Bindung stimmt
Das neugeborene Baby sucht von Anfang an instinktiv nach körperlicher Nähe, Schutz und Geborgenheit. Es sind seine essenziellen Grundbedürfnisse. Die Bezugspersonen – oder auch Bindungspersonen genannt – erfüllen diese Grundbedürfnisse. Sie kuscheln mit dem Baby, baden es, tragen es herum und sind immer in seiner Nähe. Sie entwickeln ein festes emotionales Band zum Kind. Das Kind wendet sich an die Bezugsperson, wenn es verunsichert oder ängstlich ist. Wenn das Kind die körperliche Nähe der Bezugsperson spürt, beruhigt es sich meistens wieder. Die Bezugsperson ist also eine Art «sicherer Hafen», den das Kind immer wieder aufsucht, wenn es Trost oder Schutz braucht. Durch diese Erfahrung entwickelt das Kind sein Urvertrauen. Je älter es wird, desto unwichtiger ist die körperliche Anwesenheit der Bezugspersonen. Das Kind fühlt sich sicher, weil es die Erfahrung gemacht hat, sicher gebunden zu sein. Es weiß also, dass es wertvoll, geliebt und gewollt ist. Es hat die Erfahrung gemacht, dass schwierige Situationen bewältigbar sind. Mit diesem Wissen kann das Kind sein Leben immer besser selbstständig meistern. Eine sichere Bindung zu haben bedeutet, dass das Kind mindestens eine feste Bezugsperson hat, die zuverlässig für das Kind da ist. Meistens sind die Eltern die festen Bindungspersonen für das Kind. Doch auch andere Personen wie die Großeltern, Tanten und Onkel können Bindungspersonen für das Kind sein. In der Regel gibt es eine Hauptbindungsperson, welche oft die Mutter ist. Die Bezugspersonen im Leben eines Kindes geben ihm Annahme, Sicherheit, Geborgenheit, Vertrauen, Wärme, Trost, Zeit und Liebe. Aber sie geben dem Kind auch die Freiheit, sich zu entwickeln, sich auszuprobieren und selbstständig lernen zu können.

 

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