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Sexuelle Integrität
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Integrität
Sexuelle Integrität

Mag. Ruth-Susanne Niedermaier
Pädagogin, psycholog. Beratung
Wels, A

Der Wunsch nach erfüllter Sexualität ist ein Grundbedürfnis des Menschen. Respektlosigkeit, Verletzungen, Missbrauch und Gewalt (zer)stören die körperliche wie seelische Balance. Die (Wieder-)Herstellung der Wertschätzung ist Grundlage für die (sexuelle) Selbstbestimmung und ein erfülltes Leben.

Integer – ein beinahe vergessenes Wort!

Von einer Person, die im Berufsleben steht, wird Integrität erwartet: Ehrlich zu sein, sich mit den Leitbildern der Firma zu identifizieren, Korruption abzulehnen, über jeden Verdacht erhaben zu sein. Ein integrer Mitarbeiter, eine loyale Mitarbeiterin wird geschätzt und ist vertrauenswürdig.

Wünscht sich nicht jede Person, dass man ihr ehrlich begegnet, ihre Wertvorstellungen teilt, sie nicht hintergeht und sie Wertschätzung wie Vertrauen erfährt?

Integer, dieses beinahe vergessene Wort bedeutet in der Psychologie, unversehrt zu bleiben, untadelig zu handeln. Das Prinzip der Integrität sollte nicht nur in der Arbeitswelt gelten, sondern alle Lebensbereiche durchdringen, wie zum Beispiel Ethik oder Sexualität. Jede Person hat das Recht (auch im juristischen Sinn), in der Begegnung mit anderen unverletzt, also «unversehrt», zu bleiben. Dies ist die Voraussetzung für die eigene Integrität im Sinne der Selbstbestimmung in allen Lebensbereichen, also auch in der Sexualität.

Seelische «Trümmer»

In Anlehnung an die Zerstörungen des Zweiten Weltkrieges (Erfahrung der Elterngeneration) berichtet Bettina Alberti über «seelische Trümmer» – Menschen der Nachkriegsgeneration, deren Gefühlswelt zerstört bzw. niemals richtig aufgebaut wurde. Sexualität war lange tabuisiert, denn «darüber spricht man nicht». In Kirchen war sie allgemein auf den reinen Geschlechtsakt im Sinne der Fortpflanzung reduziert. Außerdem hat eine oft körperfeindliche Erziehung dazu beigetragen, dass Sexualität nicht als Freude und etwas Positives erlebt wurde, sondern in die Perversion (Umkehrung) des Wertvollen und Schönen, in Unerlaubtes und Verdammenswertes führte. Während inzwischen in der westlichen Welt die sexuelle Befreiung grenzenlos erscheint, sind in anderen Kulturen Tabus wie die weibliche Beschneidung kaum zu überwinden (vgl. Film: die Wüstenblume).

Sexualität und Missbrauch

Für viele Frauen ist der Begriff Sexualität mit traumatisierenden Erlebnissen verbunden. Mädchen in Armutsländern verdienen ihren Lebensunterhalt mit Prostitution. Frauen in Kriegsgebieten erleiden Mehrfachvergewaltigungen. Kulturelle Anschauungen erniedrigen Frauen und machen sie zum Spielball der Männerwelt – oder es ist einfach die sogenannte Tradition, die jede Art von Respektlosigkeit rechtfertigt. «Niemand kann das verstehen.» «Ich kann nicht darüber reden.» «Bei uns ist das eben so.» – Diese resignierenden Aussagen verschweigen Verletzungen und erlebte Alltagsgewalt, meist sogar in der Ehe. Die Ursachen sind vielfältig: Vom Wunsch der Machtausübung («Du gehörst mir und tust, was ich will!») bis zu sexuellen Praktiken («Gehe ich zu weit, wenn ich am Leiden meiner Partnerin Lust habe?»). Ein falsches Verständnis der Sexualität verwehrt der Partnerin/dem Partner die Selbstbestimmung, nimmt ihr/ihm das Recht wie die Möglichkeit, sich selbst einzubringen. Deshalb ist es enorm wichtig, Hilfe anzunehmen und den eigenen Selbstwert zu stärken. Nur wer Wertschätzung im wahrsten Sinn des Wortes «am eigenen Leib» erfährt, ist fähig, sich zur Wehr zu setzen und letztendlich selbstbestimmt sein Leben zu gestalten.

 

 

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